Monatstexte Archiv

Monatstext für Dezember 2023

Winterzeit: Sei Feuer, wärme. Sei Stern, erhelle. Sei Herzlicht, umarme. Sei Ruf, dass Antwort sein kann. Sei ganz Ohr, dass Flüstern gehört wird. Sei tröstend, wo Schmerz ist. Sei bewegt, dass Tanz sich erfinde. Sei wach, wo Verhärtung droht. Sei Sturm, wo die Welt einengt. Sei Leere, dass Fülle einströmen kann. Vor allem aber sei dir treu, dann darf auch Winter sein, Einkehr, Stille. Maryse Bodé

Monatstext für November 2023

Quantensprung: Es gibt Tage, da willst du Raum und Zeit verlassen. Da tragen keine Liebesblicke, keine Hoffnungen, keine Visionen mehr. Von etwas unnennbar Grossem getrieben willst du durch Lebensspiralen höher und höher in neue Lichtbahnen steigen. Das sind die Zeiten, in denen du heimatlos wirst, weil gerade dann, wenn du dich befreien willst, die Erdenschwere dich fest in ihre dunklen Arme nimmt, um dich zu wiegen, zu wandeln, bis du dir alles geschehen lässt, das Schwere jetzt, wie sonst das Lichte, Leichte, damit dir mitten in unberechenbarem Lebenstreiben innere Freiheit wächst, wiedergefundenes Herzlächeln, mit dem du hinein in neue Lichträume erwachst. Kleine Tode sind milde, wie leises Auferstehen. Maryse Bodé

Monatstext für Oktober 2023

Strömung: Nimm das grosse Baumblatt, das Platanenblatt tellergross und golden leuchtend wie ein Sonnenaufgang im Taggrau. Leg dich ins satte Grün und Gold langer Jahreszeiten, lass dich vom sich sanft faltenden Blattrand einhüllen, als lägest du auf einer Hand die dich beschützen will. Liege in stiller Geborgenheit und lausche dem Sommerlied, das lange auf diesem Blatt wohnte. Leg alles was sich an dir wandeln will dem Blatt in die Lebenslinien, denn der Traum des Baumes währt ewig und ist dein Bett dein Boot. Fahre in neue Gewässer und lächle in deine Knochen, Sehnen, Nerven, in die die Zeit ihren schmerzlichen Rhythmus aus Ruhelosigkeit gravierte. Gib dich der neuen Strömung hin. Die Baumblatthand ist auch Himmelshand und will dich halten, wie Einer, der dich jetzt unter Sternentuch und grossem Mond neu erschafft. Maryse Bodé
Bild: Brunnen Europaplatz

Monatstext 2 für September 2023

Herzwort: Neues Licht verändert die Gangart, den Lauf der Dinge, und wir, vom Himmelsprinzip gehalten, von Welt bewegt, werden von schwebender Leere durchs Lebensrad gedreht, durch den magischen Kreis, bis wir furchtlos über Licht und Schatten, Feuer und Asche ins Herzwort gehen, um als Gefäss den Sonnenton zu tragen, den türkisblauen Wind, der mit den Vögeln in den Bäumen wohnt. / Maryse Bodé
Bild: Seelisbergsee

Monatstext September 2023

KOPFSPRUNG: Baumsilber, vom Wind gekämmte Wiesen, Libellengrün im Zickzack über einem See, der Schwarzblau spiegelt, es zur Entfaltung bringt, bis unser Sprung in den WasserStilleRaum Wellen wirft. Wir tauchen auf und wieder ein, um uns kurz, ganz kurz in der Schweigezone einer leuchtenden Aquariustiefe im Ganz-Sein zu erfahren, schwebend, umfangen von etwas Seidensanftem, wo alles Lobpreisung ist ans Licht und das was stört schweigt. Maryse Bodé

Monatstext August 2023

Häutungen auf warmer Erde: Sanfte Häutungen, so viel kostbarer als ein einziges Wunden reissendes Aus-der-Haut fahren, so viel zärtlicher aus alter Haut geschält zu werden, so wie es die Schlange auf warmer Erde zusammen mit dem Licht macht. Ein lang in sich gereifter Geburtsprozess, der uns neu an den Tag bringt und das Licht über uns kreisen lässt. Dann tragen wir feierlichen Schrittes die inneren Bilder hoch hinauf auf den Berg, halten sie ins Azur des Himmels, lassen sie höher und höher in uns kreisen. Getanztes Neuwerden zwischen Himmel und Erde, Herzgebet und Lächeln. Text und Bild: Maryse Bodé

Monatstext für Juli 2023

Hitzetag: Auf Nachmittagswiesen wieder einmal ins Blau stürzen, als wäre oben auch unten und Himmel auch Wasser, in das die Hände nach etwas Schimmerndem greifen, wenn der Körper die gespiegelte Wolke durchschwimmt, dehnbar, einmal so, einmal so geformt, dahintreibend im Äther, losgelöst vom Schmerz, gehalten im Wissen, dass Vögel mit Zwitscher und Ruf, für den Fall eines Fallens, an Fangnetzen häkeln und die Fische tagtäglich mit grosser Leichtigkeit das Gold ihrer Augen mit Wasserlilien verknüpfen und mit dem Sternenschimmer tiefdunkler Nacht. Maryse Bodé Bild: Vreni Niederberger

Monatstext für Juni 2023

Heute Labkraut an allen Ecken und Enden, wächst mir mit süssem Duft in den Mund. Rundum Seegeblinke auf Blau und überall Lobpreisung ans Licht. Immer neu von flirrender Weite umhüllt, mein Staunen. Die Arme öffnen sich mit Dankeshänden weit fürs Geheimnis aus Schutz und Wunder. Es wächst mir aus Blütensummen in die Verneigung. Maryse Bodé

Monatstext 2 für Mai 2023 / Zu Mai-Vollmond

Das innere Kind Und plötzlich will das Kind in uns zu neuen Tönen tanzen, will mit Gefühlen jonglieren, will – trotz seiner so verletzbaren inneren Mondin - Sonne sein, strahlen, ja strahlen…und dabei federleichten Meeresträumen nachhängen und fliegen, ja fliegen…Wenn aber dann mitten in all dem wieder Leere kommt, was dann? Wenn plötzlich die bunten Zukunftsfarben knistern, krachen, Scherben herunterfallen und die Rosette im Visionskaleidoskop zerbricht, was dann…Dann wird ein neuer Anfang möglich, sage ich. Dann hebt sich das Trennende auf. Dann bist auch du immer dabei und alles wird so, als würden wir das Leben neu erfinden: ein Leben, das uns in eine neue Wirklichkeit entlässt. Dann wird aus getanzter Leere, gelebte Fülle und das Einsame in uns findet, nah der Dämmerung, in dem Zwielicht, wo alles kommt und geht, fliessende Zeit, Zeit in die die Geistin hinein weht, die Geistin, die die Alltagsbilder verwischt und sich neuen Raum nimmt, auch dann wenn sie nicht immer so wehen kann wie sie will, Raum, den sie mit uns erlauschen will, mit dir und mit mir. Copyright Maryse Bodé Text geschrieben aus Text-Fragmenten von Kursteilnehmerinnen/Experimentelles Schreiben MB
Bild: Monatstexte Bilder mb

Monatstext für Mai 2023

Hoffnungsworte: Mit Sprache vom Fluchtgedanken abrücken. Mit Frühmorgenlicht Worte an die kalte Luft schreiben. Kaum haben wir Hand und Ohr an die Haut der Birke gelegt, beginnt eine geheimnisvolle Vernetzung tief innen zu leuchten. Die Finger haben die Zukunftsworte aus Baum und Himmel sofort ertastet und sie dem Kind neben mir ins Haar gewoben. Ein Ruf steigt in uns auf, der Ruf der Wölfin, der Ruf nach Heilendem in der Verwilderung. Eine Amsel scharrt im letzten Wintermoder. Wünsche fliegen mit ihr hoch ins Filigran aus flüsterndem Geäst. Die Baumkrone wiegt sich in Sanftmut und Seele, lässt den Wunsch des Kindes leuchten: Bleiben wollen, jetzt, an Ort und Stelle stehen und sich mit dem Windvogel hoch oben ein Nest bauen. Es hat Sterne darin und Türkisschimmer. Maryse Bodé/Bild: Lina Sophie
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