Monatstexte Archiv

Monatstext für April 2024

WORT, du Wildtier der Nacht, fällst ein in Zonen der Stille, stürzest vorbei am Kopfnest herzüber in die Füsse. Du kitzelst Tanz mit Sprache frei. Ich rufe ‘présent’ wenn du mich packst und herumwirbelst im Tangoschritt im Wortfeuer der Liebe, zertanze Verrat und alles was uns den Frühling versengt und das Wort Krieg in den Knospen hat. Maryse Bodé/Bild: Manuel Kleinert, 2000

Ostern 2024

Ostererwachen & Friedenslicht: Etwas hat sich in den hohen Bäumen eingefunden, etwas das mehr ist als das erfrischende Lied der Amsel, mehr als der kecke Ruf des Stars. Es wohnt dem Mond an der sich wölbenden Brust und geht mit einer tiefatmenden Stille einher. Im Traum hat es bereits Gestalt und wiegt das Geheimnis Welt auf neuer Ebene, während uns Blütenschiffe ans Herztor fahren. Maryse Bodé Skulptur: Arthur Schneiter

Monatstext für März 2024

Zuspruch: Ein Morgenfrühknistern in den Himmelsschleiern. Licht fächert sich auf, weckt die Krokusse. Mit Gelb, Lila und jauchzendem Grün schiessen sie uns ins Blickfeld, locken Lauschknospen aus dornigem Gestrüpp. Rosen haben nie aufgehört sich neu zu erfinden, auch die Bäume nicht. Noch atmet in ihnen Himmel und Erde und etwas unsichtbar Liebendes treibt auch uns immer neu Frühlingskraft und Blühendes ins Werden. Streut heilendes Gold über Weltchaos und Schmerz. Und während sich in allem was lebt Hell und Dunkel immer heftiger umarmen, rauscht uns etwas geheimnisvoll Heiliges als Zuspruch in die grossen Fragen. Maryse Bodé

Monatstext für Februar 2024

Bewegt: Ein- und Ausatem, ein Flügelpaar. Fülle und Leere. Ein Strömen hin und her. Auch zu kalter Zeit eingerollt im Atem wie in einem sommerwarmen Ährenfeld und wieder ausgespannt zwischen die Sterne, den Fuss auf Schneepelz gesetzt, das Herz im Puls des Glitzerbaums. So gehen wir zeitlos. Gespannt in die Extreme sind wir in und ausserhalb der Zeit im Spiel, im Tanz der Formen. Geduckt und Sprung. Geduckt und Sprung und Herumwirbeln durch das innere Himmelszelt. Maryse Bodé Foto MB/Installation Pipilotti Rist

Monatstext Januar 2024

Nachts auf verschneitem Stoppelfeld ein Füchslein mit leuchtenden Augen Ich gehe mit ihm in ein Jahr, das gerade erst eingeläutet, schon in Altge-wohntes zu versinken droht. Sass kurz noch am Wort-Berg der Weltver-netzungsmaschine ‚f‘, machte Schwimmbewegungen, um mich des allzu Vielen zu entledigen. Heute in der Morgenfrüh huschte Schneelicht in den Raum, liess phosphoreszierende Leuchtpunkte tanzen. Kaum wach und auf Empfang wollen bereits wieder 'world news' unter den weissen 'abat-jour' am Bettrand und mir unter die dünn gewordene Winterhaut, wo die Träume der Nacht sich noch wohlig räkeln und sogar aus der Spirale einer stillen Mitte im Aussen Herberge erschaffen. Maryse Bodé

Monatstext zum Jahresende 2023

Möge es möglich sein, mit Lichtwort und liebender Geste die innere Mitte zum schwingen zu bringen. Möge das Kreisen um das Geheimnis, das uns durchdringt, auch zu Sturmzeit neue Zonen der Hoffnung in uns anlegen, damit Herzwissen uns auf mutige Wege im Aussen lockt. Möge der Raum in und um uns leuchten. Maryse Bodé Stickbild: Beatrice Vogler, Bildhauerin/ZH

Monatstext für Dezember 2023

Winterzeit: Sei Feuer, wärme. Sei Stern, erhelle. Sei Herzlicht, umarme. Sei Ruf, dass Antwort sein kann. Sei ganz Ohr, dass Flüstern gehört wird. Sei tröstend, wo Schmerz ist. Sei bewegt, dass Tanz sich erfinde. Sei wach, wo Verhärtung droht. Sei Sturm, wo die Welt einengt. Sei Leere, dass Fülle einströmen kann. Vor allem aber sei dir treu, dann darf auch Winter sein, Einkehr, Stille. Maryse Bodé

Monatstext für November 2023

Quantensprung: Es gibt Tage, da willst du Raum und Zeit verlassen. Da tragen keine Liebesblicke, keine Hoffnungen, keine Visionen mehr. Von etwas unnennbar Grossem getrieben willst du durch Lebensspiralen höher und höher in neue Lichtbahnen steigen. Das sind die Zeiten, in denen du heimatlos wirst, weil gerade dann, wenn du dich befreien willst, die Erdenschwere dich fest in ihre dunklen Arme nimmt, um dich zu wiegen, zu wandeln, bis du dir alles geschehen lässt, das Schwere jetzt, wie sonst das Lichte, Leichte, damit dir mitten in unberechenbarem Lebenstreiben innere Freiheit wächst, wiedergefundenes Herzlächeln, mit dem du hinein in neue Lichträume erwachst. Kleine Tode sind milde, wie leises Auferstehen. Maryse Bodé

Monatstext für Oktober 2023

Strömung: Nimm das grosse Baumblatt, das Platanenblatt tellergross und golden leuchtend wie ein Sonnenaufgang im Taggrau. Leg dich ins satte Grün und Gold langer Jahreszeiten, lass dich vom sich sanft faltenden Blattrand einhüllen, als lägest du auf einer Hand die dich beschützen will. Liege in stiller Geborgenheit und lausche dem Sommerlied, das lange auf diesem Blatt wohnte. Leg alles was sich an dir wandeln will dem Blatt in die Lebenslinien, denn der Traum des Baumes währt ewig und ist dein Bett dein Boot. Fahre in neue Gewässer und lächle in deine Knochen, Sehnen, Nerven, in die die Zeit ihren schmerzlichen Rhythmus aus Ruhelosigkeit gravierte. Gib dich der neuen Strömung hin. Die Baumblatthand ist auch Himmelshand und will dich halten, wie Einer, der dich jetzt unter Sternentuch und grossem Mond neu erschafft. Maryse Bodé
Bild: Brunnen Europaplatz

Monatstext 2 für September 2023

Herzwort: Neues Licht verändert die Gangart, den Lauf der Dinge, und wir, vom Himmelsprinzip gehalten, von Welt bewegt, werden von schwebender Leere durchs Lebensrad gedreht, durch den magischen Kreis, bis wir furchtlos über Licht und Schatten, Feuer und Asche ins Herzwort gehen, um als Gefäss den Sonnenton zu tragen, den türkisblauen Wind, der mit den Vögeln in den Bäumen wohnt. / Maryse Bodé
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